Queere Romance nur für Heteros?

Wenn das einzig Interessante an einem Charakter seine sexuelle Orientierung ist

Hand hoch, wenn du beim Thema queere Romance direkt an Gay Romance denkst. Zwei junge Pretty Bois, die sich gegen jede gesellschaftliche Norm ineinander verlieben, obwohl sie doch eigentlich hetero wirken, und das Ganze möglichst heimlich, mit viel Schmachten, viel Drama und mindestens einer Szene im Regen.

Hand noch oben? Dann schau dich um – du bist nicht allein. Denn genau das ist die klassische Queer-Representation im Mainstream: Safe, sexy, stylisch – aber nur, solange sie den Erwartungen eines heteronormativen Publikums entspricht. Vor allem den Erwartungen von hetero Frauen.

Und hey – ich sag nicht, dass diese Geschichten per se schlecht sind. Ich hab selbst ein paar davon verschlungen, weil sie mir etwas gegeben haben, was es lange nicht gab: überhaupt queere Figuren. Überhaupt Gefühle. Überhaupt Romance, die nicht nach dem „Best friend gets killed for trauma“–Prinzip verläuft. Aber: Wir müssen reden.

Wenn Queerness zum Gimmick wird

Kennst du diese Figuren, bei denen du nach drei Seiten weißt: Ah. Du bist also gay. Und das war’s. Nicht weil’s elegant eingeflochten wurde. Nicht, weil da Tiefe mitschwingt. Sondern weil sie sich ein T-Shirt anhaben könnten, auf dem steht: „Ich bin queer und ansonsten irrelevant.“

Sie sind nicht witzig – sie sind der Schwule Beste Freund™, der immer einen Spruch auf Lager hat, solange er keine eigene Handlung hat.
Sie sind nicht mutig – sie sind die Lesbische Kämpferin™, die sich tapfer durch ihre Backstory aus Trauma und verlorener Liebe wühlt.
Und sie sind schon gar nicht komplex – sie sind ein Sticker im Plot-Stickeralbum: „Ach guck, auch was Diverses dabei.“

Sexuelle Orientierung als Personality-Trait? Sorry, das ist so 2005 wie Lipgloss mit Glitzer und Leute, die „LOL“ laut sagen. (Ich sage das laut, aber ich bin alt, ich darf das.) Denn weißt du, was diese Art von Charakteren vermittelt? Du bist nur erzählenswert, wenn du dich in das Schema der tragischen Exotik presst.
Du darfst queer sein, aber bitte sei dabei entweder ein bunter Sidekick oder ein tragisches Mahnmal, niemals einfach nur ein Mensch.

Queere Figur dienen viel zu oft als Requisit. Ach, übrigens, diese eine Nebenfigur hier, die in zwei Szenen im Hintergrund vorkommt, die ist lesbisch, weil wir so progressiv sind, aber das im Zweifelsfall für die „Go woke, go broke“-Crew leugnen können wollen.

Sorry, aber nope. Wenn du mit den Augen rollen musst, weil in meinem Buch so ziemlich jede Nebenfigur queer ist und die meisten Hauptfiguren sowieso, dann hast du eine Sache nicht verstanden: queere Leute haben queere Freundschaften, denn es gibt tatsächlich unglaublich viele von uns. Und nicht nur Gegensätze ziehen sich an, auch Gemeinsamkeiten verbinden.

Queer – aber bitte ästhetisch

Der Mainstream will Queerness nur, wenn sie durch einen Weichzeichner gefiltert ist. Was der Algorithmus liebt: Zwei androgyne Cis-Boys mit glatter Haut und traurigem Blick, die sich langsam die Handrücken streicheln, während im Hintergrund Lana Del Rey säuselt. Am besten mit Vignettenfilter, golden hour und einem Voiceover à la: “Meine Liebe zu dir erblühte schon bei unserer ersten Begegnung im Buchclub letzten Sommer.”

Was er nicht liebt:
– Ein transmaskuliner Charakter mit Mastek1-Narben und ’nem ausgebeulten Hoodie vom letzten Binder2-Fundraiser.
– Eine nichtbinäre Figur, die auf Pronomen keinen Bock hat und sich lieber mit „Yo“ ansprechen lässt.
– Zwei füllige Lesben mittleren Alters, die sich beim Rollschuhlaufen ineinander verlieben und beim ersten Kuss hinfallen.

Weißt du, was all diese Figuren gemeinsam haben?
Sie sind realistisch. Sie sind lebendig. Sie sind liebenswert und relatable. Aber nicht für Heteros. Sie sind nicht „sad-pretty“ genug. Sie sind zu echt.

Queerness darf im Mainstream unter denselben Auflagen existieren, die auch für weibliche Figuren gelten:
✔ Hübsch bitte.
✔ Jung natürlich.
✔ Schmerz, ja – aber stilvoll.
✔ Und bloß keine Körper, die aus dem Raster fallen.

Diversity, aber nur mit Filter. Edge, aber bitte polished. „Anders“, aber nicht zu sehr. Wenn Queerness zur Designentscheidung wird und auf ein Moodboard-Element reduziert, damit sie sich gut vermarkten lässt, dann haben wir ein Problem: Wir feiern die Form, ignorieren aber den Inhalt. Wir klatschen für Repräsentation, die keine Realität spiegelt, sondern ein Instagram-idealisiertes Märchen für die Komfortzone der Heteros ist.

Für wen schreiben wir eigentlich?

Viele queere Romances im Mainstream wirken, als hätte man sie mit dem Thermomix der Zielgruppenanalyse entworfen. Einmal „Marktchancen grob zerkleinern“ drücken, dann auf „Süße-Boys-Stufe“ pürieren. Rein dürfen zwei bildhübsche Cis-Typen mit tragischer Backstory und perfektem Kieferknochen, ein bisschen Spice, aber bitte PG-16 und ein Happy End, das sich wie Marshmallow-Creme auf einem vintage Tellerchen servieren lässt.

Was bleibt draußen?

  • Polyamorie („zu kompliziert“)
  • Asexualität („nicht sexy genug“)
  • Genderqueere Charaktere („verstehen die Leute nicht“)

Queer wird zum Erlebnispark, die Realität bleibt draußen. Und während queere Leser*innen seufzen, die Stirn runzeln oder leise kotzen, wird am Mainstream-Regal weiter brav sortiert: Einmal Boylove für die Romantikerinnen, ein bisschen tragisches Coming-Out für die Sensiblen,
und alles bitte so geschrieben, dass keine cis-hetero Seele überfordert wird.

Geht das auch besser?

Okay, genug gemeckert. Wir wissen jetzt, was schiefläuft. Jetzt wird’s konstruktiv – aber nicht langweilig, versprochen.

Queerness als Merkmal, nicht als Charakterzug
Niemand ist nur queer. Genauso wenig wie jemand nur hetero, oder nur rothaarig, oder nur leidenschaftlicher Baklavafan ist. Sexuelle Orientierung ist kein Ersatz für eine Persönlichkeit. Sie ist ein Baustein, kein Fundament. Stattdessen wollen wir komplexe Figuren, die genauso Sorgen, Hoffungen und Träume haben wie reale Menschen. Dein Protagonist ist schwul? Cool. Aber ist er auch messy, allergisch gegen Sellerie, ein schlechter Verlierer bei Kartenspielen und heimlicher Fan kitschiger Kriegsdokus? Dann wird er plötzlich lebendig, relatable und echt.

Echte queere Menschen statt deren Instagram-Inszenierung
Du willst zeigen, dass du Ally bist? Schreib keine ätherischen Emo-Boys, die sich im Kirschblütenregen küssen. Schreib die alleinerziehende nichtbinäre Bäckerin, die sich in ihre Brotlieferantin verliebt, aber Angst hat, dass ihre Kinder sie nicht mehr ernst nehmen. Den aromantischen Uni-Dozenten, der sich in ein anarchoqueeres Kollektiv verstrickt, das aus Versehen ein Portal ins Dämonenreich öffnet. Schreib was auch immer dir Spaß macht, solange es sich echt anfühlt.

Vielfalt feiern, nicht nur in der Orientierung, sondern auch bei Alter, Körper, Lebenswirklichkeit, Sprache und Kultur
Auch mehrgewichtige Trans-Frauen mit Migräne und Onlineshop für nerdige Häkelanleitungen verdienen eine Love Story. Protas müssen nicht für dich sexy, für mich, genau genommen für niemanden. Sie müssen sie selbst sein und zeigen, alle Menschen haben Liebe verdient. Einfach so, weil sie existieren. Sprache und Kultur waren schon immer mein Steckenpferd, weshalb du selten Figuren bei mir findest, die sich einer einzigen Gesellschaft oder Kultur zuordnen lassen. Die Mischung macht’s, sei es die finnische Ziehtochter einer libanesischen Witwe wie in Seelenbande, oder die indisch-deutsche Tochter einer alleinerziehenden Yogalehrerin wie in Konfabellationen – es gibt so wenige Menschen, die perfekt in eine Schublade passen. Erinnern wir die Welt ab und zu daran.

Queere Menschen dürfen glücklich sein, sie dürfen wütend sein, absurd, sogar langweilig
So wie echte Menschen halt. Nicht jede queere Figur muss ein Symbol sein. Nicht jede Geschichte ein Aufschrei. Statt der hunderttausendsten Coming-Out-Geschichte oder der drölften verbotenen Liebe, einfach mal casually queere Figuren mitspielen lassen. Warum nicht ein bisschen Eskapismus und eine Welt erschaffen, in der Schwul sein kein Thema ist, kein Problem, kein zentrales Plotelement, sondern ein Merkmal eines epischen Helden, der dem Drachenkönig die Stirn bot und dabei unerwartet seine Liebe gewann? Queere Menschen dürfen einfach sein. Im Vordergrund, im Hintergrund, mit oder ohne Charakterentwicklungsbogen. Einfach da. Einfach wichtig. Ohne Erklärung, Belehrung oder Moral.

Genau das ist die Revolution: Wenn Queerness nicht mehr erklärt, begründet oder entschuldigt werden muss. Wenn sie einfach existiert und das auch darf.


Wenn du beim Lesen dieses Artikels ein paar Mal mit dem Kopf genickt oder vielleicht gar leuchtende Augen bekommen hast, dann dürfte die Seelenbande-Trilogie genau das Richtige für dich sein. Casually queer auf allen Ebenen, rasante Action, süße Romance und eine Protagonistin, die man gleichzeitig knuddeln und schlagen möchte. Melde dich einfach für meinen Newsletter an und lies das Prequel kostenlos oder lade dir hier die Leseproben aller Teile herunter.

Bild von Alessandro Alle auf Pixabay

  1. Mastektomie, Entfernen der weiblichen Brust ↩︎
  2. Kleidungsstück zum Kaschieren der Brust ↩︎
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