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100 Drabbles in 100 Tagen – 55: Junge

Ah, ja, mein Zweitlieblingssong von meiner Lieblingsplatte von den Ärzten. Eine gute Erinnerung daran, dass man als Kind nicht den Eltern gefallen und als Eltern die Kinder loslassen können muss. Noch ist keins meiner Kinder ausgezogen, aber angesichts einer kürzlich erfolgreich abgeschlossenen Schulausbildung dauert es wohl nicht mehr allzu lang. Da darf man schon mal im Voraus traurig sein, muss man aber nicht.

Ein Drabble hat exakt einhundert Wörter, egal worum es sich dreht, selbst, wenn es, wie in diesem Fall, die Ambivalenz eines positiven Abschieds erfolglos zu verbalisieren versucht.


Still.
Meine Fingerspitzen gleiten über das saubere Viereck am Rand des staubbedeckten Schreibtisches, wo vor kurzem noch ein Computer stand. Das Bett ist fort, wie ich es geplant hatte. Es ist stabil, hat Platz für zwei und erinnert ihn an zu Hause. Hoffe ich.
In der Ecke neben dem Fenster steht eine Kiste, die nicht mehr in den Wagen gepasst hat. Ein paar Socken mit Loch hängen über der Heizung. Die Regale sind leer.
Und obwohl alles richtig daran ist, dass er sein Nest verlassen hat, ist die Stille so laut und die Leere so betäubend.
Viel Glück, mein Junge.

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