100 Drabbles in 100 Tagen – 97: El Toro

Wenn sich schon einer opfern muss, dann ich. Wir wissen doch beide, dass es nicht anders geht. So lautet sinngemäß der Songtext zum heutigen Titel und die Quintessenz des Gedankengangs von „ihm“. Hat „er“ einen Namen? Hat das Erzähler-Ich einen? Wer ist dieses Kind? Werden wir jemals erfahren, was die Priesterin mit der Freilassung des Erzähler-Ichs zu tun hatte? Oder in welcher Welt diese herzzerreißende Geschichte spielt? Vielleicht, vielleicht nicht. Ganz sicher sind nur die genau einhundert Wörter, die den folgenden Text zu dem machen, was er ist und auch sein will: Ein Drabble. Nicht mehr, nicht weniger.

Ein letztes Mal gibt es noch eine Drabble-Definition, die organisch in den Vorworttext integriert wurde und daher nicht noch einmal separate Erwähnung findet. Dabei wäre nun wirklich nichts dabei gewesen, hier noch einmal auszuformulieren, dass ein Drabble einfach nur eine Kurzgeschichte von exakt einhundert Wörtern Länge ist.

„Du weißt, dass wir hier nicht beide lebend rauskommen.“ Er sah durch das vergitterte Fenster.
Ich knirschte mit den Zähnen. „Wir finden einen Weg.“
Er lächelte und küsste mich.
Krachend wurde die Tür geöffnet. Die Wachen führten ihn ab. All mein Flehen blieb ungehört.
Am Morgen ließen sie mich frei.
Ich wagte es nicht, aufzusehen, als ich den Galgen passierte.
Die Priesterin fasste mich beim Arm und flüsterte: „Verschwende das Geschenk nicht und verschwinde aus der Stadt.“
Ich wusste nicht, ob ich ein Leben ohne ihn wollte, doch brachte ich es nicht übers Herz, dir deines zu verwehren, mein Kind.

Bild: Aryok Mateus auf Pixabay

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