„Wann schreibst du mal wieder was für deinen Blog, Bess?“ Gene saß in meinem Computersessel, die Beine lässig über einander geschlagen, und feilte sich die Fingernägel. Nicht, dass diese eine Feilung nötig gehabt hätten – sie tat es um des Effektes Willen.
„Äh“, erwiderte ich eloquent.1Was für ein unglaublich toller Satz. Zuerst gelesen in Jim Butcher’s Harry Dresden und seither immer wieder gern in meinen Erzählungen bemüht. Good artists copy, great artists steal. (Dieses Zitat ist natürlich auch gestohlen.)
„Ja, was: Äh? Mehr fällt dir dazu nicht ein? Bod zufolge haben inzwischen vielleicht acht Leute meine Geschichte gelesen. Wenn man von denen absieht, die du dazu erpresst hast. Findest du das nicht ein bisschen wenig?“
Nachdenklich kratzte ich mich am Kopf. „Na ja, doch. Aber was ändern Beiträge auf diesem Blog daran? Den liest doch niemand.“
Gene sprang auf und setzte sich auf die Platte des Esstisches, hinter dem ich es mir auf der Bank gemütlich gemacht hatte. „Noch nicht. Das kann sich ändern. Wird es aber nur, wenn du regelmäßig etwas zu sagen hast. Und zwar etwas Lesenswertes!“
Einwände, Ausreden, Zweifel
„Mag ja sein“, ich schob sie sanft aber bestimmt von der Tischplatte2Auf den Tisch gehört der Kuchen, da hat der Podex nichts zu suchen – wie Schiller schon sagte., sodass sie sich zu mir auf die Bank hockte. „Aber das ist gar nicht so einfach. Bei all dem Stress tagtäglich und den vielen Übersetzungsaufträgen, dem Lernen mit den Kindern und der ganzen Hausarbeit … wo bleibt da die Zeit für einen Blog?“
Gene zog die Stirn in Falten und verschränkte die Arme. „Hat dich alles nicht davon abgehalten in den letzten drei Jahren mehr als fünfhunderttausend Wörter Rohtext zu schreiben, aus denen schließlich meine Geschichte entstand.“
„Njjaahnngarr … aber das hat ja auch Spaß gemacht!“ Ich sprang auf, rumpelte gegen die Tischplatte und plumpste wieder auf den Sitz. „Lässt du mich bitte aufstehen?“
„Nein. Erst erklärst du mir das mit dem Blog. Wenn es dir keinen Spaß macht, den zu schreiben, wie soll ihn dann irgend jemand anderes interessant finden und sich folglich für deine Texte begeistern?“ Noch immer saß sie wie ein Fels zwischen mir und der rettenden Chipstüte in der Küche.
„Ich weiß nicht, was ich schreiben soll!“ Entnervt warf ich die Arme in die Luft. „Okay? Es muss unterhaltsam sein oder interessant oder – noch besser – nützlich! Es muss gut sein, nein, es muss perfekt sein! Es soll die Leser begeistern und nicht an meinem Verstand zweifeln lassen.“
„Niemand zweif…“ Sie hob die Hand. „Hm, nein, das ist wohl so nicht ganz richtig.“
Ich verzog das Gesicht.
„Tatsache ist aber“, fuhr sie fort, „dass den Blog niemand liest. Oder doch?“
„Nicht, dass ich wüsste“, seufzte ich matt.
„Na dann!“ Sie grinste breit. „Dann ist es doch auch nicht so schlimm, wenn deine ersten Beiträge eben nicht perfekt sind. Nur durch Übung wird man besser. Also spring über deinen Schatten und veröffentliche endlich wieder etwas.“
Stöhnend verdrehte ich die Augen. „Und was?“
Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich zurück. „Einfach irgendwas.“
„Vielleicht diese Unterhaltung hier?“
Sie schnaubte und grinste. „Wenn ju will.“3Man denke sich hier Tonfall und Ausdrucksweise von Otto in seiner Wizz-Werbung. Dipp, dipp, dipp in the wizz, wizz, wizz … Ja, ich bin alt! Na und?
Einfach mal machen
Am Anfang ist es wichtiger, eine Schreibroutine zu entwickeln. Sich auszuprobieren und einfach mal etwas zu veröffentlichen. Erfahrungen zu sammeln.
In der heutigen Zeit bekommt man viel zu oft das Gefühl, alles müsste gleich perfekt sein. In Wahrheit ist nichts perfekt. Auch nach vielen Jahren nicht. Das sollte uns nicht davon abhalten, den ersten Schritt zu machen. Und dann den nächsten. Nur so kommen wir irgendwann irgendwo an.
Und passend dazu ein Song, den ich mir immer dann in Erinnerung rufe, wenn ich mir wieder zu viele unnötige Gedanken darüber mache, wer was wo von mir denken könnte:
Foto: Reißinger Bach bei Haunersdorf, Otzing