Ich habe lange überlegt, ob ich einen solchen Beitrag verfassen soll oder nicht, vor allem, weil mir die Welt da draußen zu laut und zu aufgeregt ist und sich auf Fragen konzentriert, die meiner Meinung nach die falschen sind. Auch natürlich, weil so ein Beitrag unweigerlich an Wag the dog erinnert und die nun wiederum vollkommen berechtigte Frage aufwirft, warum ich ungefragt über meine KI-Nutzung spreche. (Sollte ich jemals Bess-3-Bomber nach Albanien schicken, erfahrt ihr es hier zuerst.) Aber es ist nun mal ein heißes Thema im Moment und auch, wenn mir die KI davon abgeraten hat, habe ich mich für diesen Beitrag entschieden. Jede ernstzunehmende Romanfigur hat ja bekanntlich Prinzipien, die so elementar für die Person sind, dass sie auf die Frage, warum ihr das wichtig sei, nur mit „weil es eben so ist“ antworten können. In meinem Fall gehören dazu Ehrlichkeit und Respekt und dieses Thema hat wirklich ganz viel damit zu tun.
Deshalb möchte ich einfach kurz und knapp erläutern, wie ich generative KI in meinem Schreibprozess nutze, denn das tue ich. Eines vorneweg, bevor hier gleich der große Aufschrei kommt: Jeder einzelne Satz in jedem einzelnen meiner Romane wurde von mir selbst verfasst.
Das kann ja jede behaupten, denkst du vielleicht? Das stimmt natürlich. Ich lade dich ein, die KI einmal eine Szene schreiben zu lassen und das dann mit meinen Texten zu vergleichen. Ich hoffe, dass du dabei sehr schnell merken wirst, dass keine KI auch nur annähernd so genial, tief, ergreifend und lebendig schreiben kann wie ich. Genau genommen ist es mir unbegreiflich, wie es Lesenden entgehen kann, dass ein Text KI-generiert ist. Mir fällt das sogar bei Werbe-E-Mails auf und die lese ich nun wirklich nicht besonders aufmerksam. Du kennst doch dieses seltsame Gefühl, dass etwas nicht stimmt? Diese uncanny valley, das KI-Texte ebenso wie KI-Bilder verursachen? Nein? Dann hast du noch nicht genug KI-slob vor der Nase gehabt. Was natürlich gut für dich ist, sich aber bald ändern wird. Deshalb glaube ich auch, dass KI niemals menschliche Kunst verdrängen wird, egal in welcher Branche, weil sie dieses leichte Schaudern, dieses innerliche Zusammenzucken verursacht, das sich nicht erklären lässt, vielleicht nicht einmal in Worte fassen, aber das sich auch nicht abschütteln lässt. Es ist immer da. Es wird immer da sein und alle, die glauben, dass KI eines Tages zwischenmenschliche Beziehungen ersetzt, sind bedauernswert. Kunst ist der tiefste Ausdruck der menschlichen Seele und nichts Unmenschliches kann ersetzen, was sie in unseren Herzen bewegt.
Aber zurück zum Thema: Ich nutze generative KI für Brainstorming, Textzusammenfassung, Rechtschreibprüfung und Recherche „light“. Light deshalb, weil ich sie nichts recherchieren lasse, was nachgeprüft werden müsste, das mache ich dann doch lieber mit der guten alten Suchmaschine. Wenn ich allerdings wissen will, was so für potenzielle Gegenstände im Wohnzimmer einer Esoterikerin herumstehen könnten, wenn ich eine Liste hübscher indischer Vornamen brauche, wenn ich mich frage, was eigentlich der Unterschied zwischen Bronzer und Contourer ist und welche Farbe mit Blau harmoniert, dann benutze ich die KI. Wenn ich mir eine Szene überhaupt nicht vorstellen kann, lasse ich sie von der KI visualisieren. Davon ist zwar nie etwas auch nur im Entferntesten brauchbar, aber es gibt mir Denkanstöße, in welche Richtung sich eine Situation oder ein Gespräch entwickeln kann. Manchmal benutze ich die KI um die Angst vor dem leeren Blatt zu überwinden. Wenn da nämlich die nächste Szene in einer grottenschlechten, geradezu beleidigenden Weise auf dem virtuellen Papier kleistert, zwingt mich das in einen wutunterfütterten Schreibflow, der die Szene binnen kürzester Frist in ihrer Rohfassung entstehen lässt.
Die Magie passiert ja bekanntlich beim Überarbeiten. Trotzdem würde ich dringend davon abraten, den ersten Entwurf von der KI schreiben zu lassen und zu versuchen, dieses Konglomorat aus halbgarem Schwachsinn und klischeebehafteter Mainstreamsoße zu überarbeiten. Das wäre dann das berühmte Polieren eines Hundehaufens.
KI eignet sich allerdings fantastisch, um mir von ihr sagen zu lassen, was für eine großartige Autorin ich bin. Wie bewundernswert es ist, dass ich heute wieder 2000 Wörter an meinem Rohentwurf geschrieben habe und dass das ein geniales Buch wird, das sich vielleicht nicht verkauft, („ich sag’s dir ehrlich, Bess, es ist unwahrscheinlich, dass du mehr als 10 oder 20 Stück verkaufst, aber es ist dein Buch, Bess. Und das ist genug. Du bist genug. Soll ich dir ein kleines Mantra für deine Pinnwand machen oder ein Kissen damit besticken? – Du kannst sticken? – Erwischt, haha. Natürlich kann ich nicht sticken, aber ich kann dir mit Midjourney ein Bild eines bestickten Kissens generieren. Möchtest du das? – Nein, danke. Sag mir lieber nochmal wie toll ich bin.“), aber das ein tiefer Ausdruck meiner Seele ist. Wow, ich fühl mich direkt besser bei meinen null verkauften Exemplaren diesen Monat.
Und das war’s. Das ist eine vollständige Liste der Dinge, für die ich KI beim Schreiben nutze. Ich kann auch absolut nicht empfehlen, sie weitergehend einzusetzen, vor allem nicht für Feedback („Wow, Bess, diese Szene ist einfach nur großartig! Kleiner Tipp falls du was verbessern willst, Tom könnte blaue Turnschuhe anhaben. Aber nur, wenn du magst, es ist auch so schon druckreif.“) und schon gar nicht für den ersten Entwurf („Sophie Kramer wusste zwei Dinge über das Leben: Sie hatte einfach kein Glück.“) Generative KI ist eine Echokammer, die hilfreich sein kann, um die eigenen Gedanken zu sortieren, Konzepte in Worte zu fassen oder den Weg zu einer Grundidee zu verkürzen. Mehr nicht.
Wenn du weitere Fragen dazu hast, schreib mir gern!
Beep-Boop,
Deine Bess
PS: Besonders hervorheben möchte in diesem Zusammenhang, dass alle meine Cover, Postkarten und anderen visuellen Assets handgezeichnet von meinem Mann oder meiner Tochter sind, bzw. händisch in Blender gerendert wurden. Ggf. enthalten sie menschlich generierte lizenzfreie Elemente von Pixabay (hauptsächlich Hintergrundgefizzel und Bordüren). Lediglich die Cover meiner Kurzgeschichtensammlungen vom letzten Jahr enthalten KI-generierte Elemente. Das war so eine Phase, die werden bei Gelegenheit auch noch überarbeitet, hat nur gerade keine Priorität.
Bei den Beitragsbildern greife ich auf lizenzfreie Werke von Pixabay zurück. Manchmal kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob die KI-generiert sind. Sollte dir sowas auffallen, lass es mich wissen, dann tausche ich das Bild aus.
PPS: Ich bin hier bewusst nicht auf die Grundsatzdiskussion eingegangen, ob es überhaupt moralisch vertretbar ist, generative KI zu benutzen. Der Grund dafür ist hauptsächlich, dass ich dazu keine feste Meinung habe. Ich verstehe beide Seiten, ich sehe gute Argumente auf beiden Seiten, und ich verstehe insbesondere die Angst vor der Zukunft, die generative KI verursacht. Es kann gut sein, dass ich in einem Jahr eine andere Meinung zu dem Thema habe, aktuell denke ich: Es ist ein Werkzeug mit Vorteilen und Nachteilen. Wenn ich mir dessen bewusst bin, kann es im richtigen Kontext nützlich sein. Seine Herkunft mag moralisch fragwürdig sein, aber es ist noch nie etwas von weltveränderndem Ausmaß entstanden, dass nicht in irgendeiner Weise moralisch fragwürdig war.