Warum wir Bücher verschlingen: 30 universelle Fantasien, die alle lieben

In ihrem Klappentext zu „7 Figure Fiction“ schreibt T. Taylor:

Es gibt zwei Arten von Leser*innen:
Die, die deine Bücher lieben.
Und die, die noch nicht wissen, dass sie deine Bücher lieben.

Sie nennt das Phänomen, das diese Liebe auslöst, „Universal Fantasy“ – die geheime Zutat, die dafür sorgt, dass wir Bücher verschlingen, Serien suchten und plötzlich Dinge kaufen, die wir gar nicht auf dem Einkaufszettel hatten.

Diese Idee ist natürlich nicht neu und wurde schon in Werken wie The Emotional Thesaurus und Story Genius ausführlich beschrieben. Da ich sie aber im Kontext meines anstehenden Versuchs, eine kommerziell erfolgreiche Autorin zu werden (a tried and true sell-out, yup, yup 😎) interessant fand, habe ich mal 30 universelle Fantasien für dich aufgelistet, die bei Leser*innen für die nötige Dosis Emotionen sorgen, damit sie ein Werk verschlingen.

Welche davon möchtest du mal in einer Geschichte von mir lesen? Schreib es mir!

Die Reihenfolge ist übrigens komplett zufällig, was mir gerade in den Kopf geschossen ist, halt.

 

30 universelle Fantasien

1.           Vom Normalo zur Retterin der Welt
Okay, die Reihenfolge ist vielleicht nicht komplett zufällig, denn falls du meinen Artikel über Inspiration gelesen hast, weißt du, dass das meine universelle Fantasie Nummer Eins ist: Ich, die unbedeutende Person von nebenan, muss plötzlich die Welt retten – und schaffe es auch. (Isekai lässt grüßen)

2.           Endlich wahrgenommen werden
Das ist schon auch so ein Ding, was ziemlich hoch oben auf meiner Liste ist, dass jemand sagt: „Hey Bess. Ich verstehe dich. Ich sehe dich so, wie du wirklich bist, und du bist übrigens voll okay so. Hast du was mit deinen Haaren gemacht? Steht dir!“ (ich habe vor, daraus einen Running Gag zu machen, weil ich in meinem ganzen Leben noch nie nicht irgendwas mit meinen Haaren gemacht habe. Es hat nur mal meine Tante was mit denen gemacht, aber das ist zu lange her, als dass es noch Beweise gäbe.)

3.           Das geheime Talent
Welche*r Millennial wartet nicht immer noch auf die Einladung nach Hogwarts, weil wir in Wahrheit alle Zauberschüler*innen sind? Okay, ich wollte nie nach Hogwarts, ich wollte immer nur superschlau sein, was dort eh nicht gewertschätzt wird, und seit J. K. Rowdy eine F.A.R.T. (Feminism Appropriating Resentful Transphobe*) geworden ist, mag ich sie noch weniger als ich sie schon nicht mochte, nachdem sie einen von den Weasley-Zwillingen… warte, darf man den letzten Band von Harry Potter spoilern? Egal, geheimes Talent, wer wollte noch nie eins? Meins ist übrigens, dass ich gleichzeitig Lachen und Reden kann und mich verschlucke, wenn ich versuche, beim Essen zu denken.

4.           Eine zweite Chance
Es gibt so Sachen, die tun auch zwanzig Jahre später noch weh und ich wünsche mir so sehr, sie rückgängig machen und nochmal neu anfangen zu können. Diese universelle Fantasie ist übrigens ein starker Antrieb gleich mehrerer Figuren im Seelenbande-Universum.

5.           Unerwartete Liebe
Es ist 1998, du gehst nichtsahnend in Hamburg vor der NordCon um einen Baum und da steht er – der blonde Junge mit dem breiten Grinsen, den vor der Brust verschränkten Armen und dem … was ist das, was er da sagt? Ist das eine Sprache? Hey, wo ist er hin! Ich wollte ihn doch heiraten! (Spoiler: Hab ihn wiedergefunden. Er sitzt gerade auf der anderen Seite meines Schreibtischs und brütet über dem Buchsatz für Konfabellationen.)

6.           Von allen verkannt – und dann gefeiert
Wir wollen, dass die Welt merkt, dass sie uns unterschätzt hat.
Das hier. ☝️ ☝️ ☝️
Das ist das Ding.
Komm in zwanzig Jahren nochmal zurück auf diese Website, dann ist hier alles voller Bessseller. Ich schwör.

7.           Die dunkle Seite bezwingen
Das Monster in uns, unseren Zorn, die Machtgier, das Chaos, kontrollieren und trotzdem wir selbst bleiben. Kann nicht sagen, dass ich besonders gut darin wäre, auch wenn mir gelegentlich attestiert wird, ich wäre die Ruhe selbst. Behauptet allerdings niemand, der mich näher kennt.

8.           Endlich frei sein
Raus. Einfach weg. Den Stift fallen lassen, den PC ausschalten, aufstehen, in den Bus steigen, bis zur Endhaltestelle fahren, weitergehen, es dunkel werden lassen, an der Isar stehen, aufs Wasser sehen und vom Mittelmeer träumen. Wenn dieser Artikel hier endet, wisst ihr, was passiert ist.

9.           Eine Wahlfamilie finden
„Unsere Freunde sind Gottes Entschuldigung für unsere Familie.“ So sagten es die Alten früher jedenfalls und es ist schon was Wahres dran. Das ist wieder eine meiner stärksten universellen Fantasien. Ich will doch einfach nur dazu gehören. Darf das echt nicht sein?

10.        Es den Reichen und Schönen mal so richtig zeigen
In dem Fitnessstudio, das ich besuche, in dem verzweifelten (und fruchtlosen) Versuch, mich meiner Wampe zu entledigen, gibt es eine Frau, die schon zwanzig Jahre länger als ich auf dieser schönen Erde weilt, aber acht Jahre jünger als ich aussieht. Ihr Geheimnis? Keine Ahnung, aber meine Theorie ist, dass sie nie im Einzelhandel gearbeitet hat. Als Außenseiter*in in die High Society platzen und dort alle verblüffen – am besten mit Stil und Humor – das wär’s oder? Da hätte ich so dermaßen Bock drauf. Das in einem Roman zu verbraten, ist als Prolet wie icke aber nicht so einfach, denn, dir Reichtum vorzustellen, den du nie gekannt hast, braucht eine erstaunliche Menge Fantasie. Kein Wunder, dass Reiche das umgekehrte Problem haben und ständig so gehaltvolle Tipps wie „Dann dusch halt kalt“ geben.

11.        Vom Opfer zur Heldin
Wer liebt sie nicht? Die misshandelte, belächelte oder gebrochene Figur, die am Ende stark und unbesiegbar ist. Eine meiner universellen Lieblingsfantasien.

12.        Geheime Welten entdecken
Als ich ungefähr 4 Jahre alt war, liebte ich es, zwischen einem kleinen Busch und der Hecke zum Nachbargarten zu sitzen, denn dieser Ort war magisch und dort lebten die Feen. Bei jedem Waldspaziergang suchte ich die beiden Bäume, zwischen denen das Portal ins Feenreich lag, durch die ich nur hindurchgehen musste, um es zu erreichen. Ich würde es als die zweitgrößte Enttäuschung meines Lebens bezeichnen, dass ich dieses Portal nie gefunden habe. Die größte war, dass meine jüngeren Geschwister schon lange wussten, dass der Weihnachtsmann nicht real ist, als meine Mutter der zehnjährigen Bess das erst noch verklickern musste.

13.        Unsterbliche Liebe
Liebe, die Jahrhunderte überdauert, Seelen, die sich immer wiederfinden, eine universelle Fantasie wie aus dem Märchenbuch. So wunderschön, so rein, so muss das sein.

14.        Die eigene Bestimmung erfüllen
Ich wollte nie die Auserwählte sein. Ich wollte cool sein, oh ja, und dazu gehören, aber ich wollte dabei auch immer autonom sein. Wo bleibt das Heldentum, wenn das Schicksal für dich entscheidet? Nein, ich will selbst die Heldin sein, aus freien Stücken und mit allen Konsequenzen.

15.        Ein machtvolles Erbe
Hier kommt die erste universelle Fantasie, die ich nicht teile. Ja, okay, ein ordentliches Batzerl Knete zu erben, das hat was für sich. Aber es gibt zahlreiche Menschen, denen beim Gedanken, ein Artefakt, ein Titel oder eine besondere Macht zu erben, ganz warm ums Herz wird. Auch, wenn ich diese Fantasie nicht teile, finde ich sie absolut nachvollziehbar: Denn jetzt bist du die Person, die alles verändern kann.

16.        Sieg der Rebellion
Ah, ja. Hast du Andor gesehen? Nein? Dann hast du was verpasst. Vertrau mir, ich sage sowas ganz sicher nicht über jede Serie, schon gar nicht über jede Star Wars Serie, aber Andor. Wow. Einfach wow. Wenn der Funke der neuen Hoffnung zu einem Flächenbrand wird und den Faschismus so weit zurückdrängt, dass er wieder für viele Jahre im Morast verschwindet, das … genau das ist eine universelle Fantasie aller Menschen, die ich in meinem Leben haben möchte.

17.        Der Feind in meinem Bett
Okay, also mal Hand hoch hier, wer von uns steht nicht auf Enemies to Lovers? Gibt’s da jemanden? Eine unfreiwillige Allianz mit der Person, die man am meisten hasst, aber eigentlich liebt – Elizabeth Bennet und Mr. Darcy, Feyre Archeron und Rhysand, Harry Potter und Draco Malfoy – ist doch das Heißeste, was Romance zu bieten hat, oder nicht? Nein? Na gut. War ja nur ein Vorschlag.

18.        Das Unmögliche schaffen
Alle sagen: „Das schaffst du nicht!“ Und du sagst: „Watch me.“
In meinem Fall: Vom Schreiben leben. Mal gucken, ob ich diese universelle Fantasie verwirklichen kann. (Die Chancen stehen fifty/fifty, schätze ich.)

19.        Unendliche Loyalität
Aaah, jap. Ich liebe diese Fantasie: Ein Freund, eine Freundin oder Partnerin, ein Gefährte, der oder die immer an deiner Seite steht, mit dir durch die Hölle und durchs Hochwasser geht (auf Deutsch heißt das irgendwie anders, oder? Mein Hirn verbringt zu viel Zeit im angelsächsischen Sprachraum). So eine Figur habe ich auch schon mehr als einmal erschaffen. Sie werden für immer meine Lieblinge sein.

20.        Ausbruch aus der Normalität
„Spontansex – fetzt den Alltag weg“ stand in der Praline, die ich mir am Flughafen München für die 45 Minuten nach Berlin gekauft hatte. Warum ich das heute, zwanzig Jahre später, noch weiß? Kein Grund. Jedenfalls ist das eine universelle Fantasie: Wenn doch nur endlich mal was passieren würde. Muss nicht mal Sex sein. Ein Autounfall vorm Bürofenster reicht auch.

21.        Gefahr überleben
Manchmal machen Teenager bekloppte Dinge. Zum Beispiel aus der S-Bahn hüpfen, um eine Fahrkarte zu entwerten und dann wieder reinspringen, während die Bahn schon losfährt. Deine Freundin hat die Tür mit Macht aufgedrückt gehalten und jetzt hält sie auch noch dich, während der Zug an Fahrt aufnimmt. Du hältst ihre hände fest und hängst dich rein, sie zerrt mit der bloßen Kraft der Panik an dir und ihr landet beide auf dem Waggonboden. Du weicher als sie, aber Bess kann das ab und du merkst: Überleben fühlt sich einfach geil an.

22.        Nur noch kurz die Welt retten
Wir lieben die Geschichten unter Punkt eins: Vom Normalo zur Retterin. Aber wir lieben auch die Geschichten über die Weltretterinnen, die es bei diesem Job ein bisschen leichter haben – zumindest so lange kein Kryptonit in der Nähe ist und du noch dein leuchtendes Lasso hast.

23.        Das Rätsel entschlüsseln
Wie universell diese Fantasie ist, weiß ich nicht, denn meiner Erfahrung nach sind Leute erstaunlich schlecht im Rätsellösen. Aber ein Geheimnis, einen Code, einen Mordfall oder einfach nur ein Cocktailrezept zu entschlüsseln, ist ein beliebtes Hobby beim Volk der Tatortgucker und Regionalkrimifans.
Fun Fact: Ich hab in meinem ganzen Leben nur einen einzigen Tatort gesehen, als ich in der Nacht vor meiner mündlichen Übersetzerprüfung den Gratis-Espresso aus der Hotelbar getrunken habe und deshalb nicht schlafen konnte. Ich habe außerdem einen Beitrag über den Einzug japanischer Animes in Deutschland, eine Natur-Doku über die zwanzig effizientesten Jäger der Welt (auf Platz 3 waren Koboldmakis) und eine CNN-Reportage über irgendeine U.S.-Kontroverse gesehen, bevor ich endlich in einen Albtraum über einen vollverglasten Fahrstuhl ohne Türen eintauchen konnte.

24.        Magie meistern
Wisst ihr noch, wie ich unter 12. sagte, es wäre meine zweitgrößte Enttäuschung, dass ich nie den Zugang zum Feenreich gefunden habe? Das ist nur die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist, dass ich den Mangel an Magie in dieser Welt beklagenswert finde. Ja, das war ein Star Wars Zitat. Fast zumindest. Nein, ich zitiere nicht immer Star Wars, aber wenn ich es tue … kleiner Scherz, ich zitiere immer Star Wars. (Stell dir mich einfach als Jonathan Goldsmith mit einem Corellian Ale in der Hand vor.) (Ja, ich bin alt. Und ein Nerd. Heute ist offensichtlich dein Glückstag.)

25.        Gerechtigkeit siegt
Einer meiner Lieblingsfilme ist The Shawshank Redemption, zu Deutsch Die Verurteilten.  Einer der Gründe dafür ist, dass der Film, so unendlich bitter er ist, eine ganz eigene und ausgesprochen befriedigende Art hat, den Bösewicht zu bestrafen und den Unterdrückten triumphieren zu lassen. Er ist subversiv, clever und zeigt nebenbei, dass es sich lohnt, durchzuhalten und einen Plan zu verfolgen, bis er sich verwirklicht. Eines Tages werde ich auf diesen Essay zurückblicken und sagen: Das war einer meiner ersten kleinen Erfolge. Auf den viele weitere folgten. Und heute steht in jedem Buchladen eins meiner Bücher. Oder auch nicht. Aber The Shawshank Redemption ist trotzdem ein verdammt guter Film, und ein Sieg der Gerechtigkeit unglaublich befriedigend.

26.        Das Undenkbare wagen
Tabus brechen, Grenzen überschreiten, alles riskieren für etwas Größeres, das ist es, was wir gerne würden, aber uns meistens nicht trauen. Kein Wunder, dass diese Fantasie so universell und so beliebt ist.

27.        Verborgene Wahrheiten aufdecken
Alles, was du über die Welt geglaubt hast, ist eine Lüge – ein unglaublich faszinierendes Konzept und die Basis zahlreicher Kultklassiker – von Matrix bis Die Truman Show. Ihr wisst gar nicht, wie oft ich schon versucht habe, einen Löffel nur mit meinen Gedanken zu biegen. Wie oft ich schon am Weiher stand und mit mir rang, ob ich nicht einfach einen Schritt auf die Wasseroberfläche machen sollte, nur von meinem Glauben getragen. Wie oft ich schon beim Auf-die-Fresse-fliegen versuchte, mich wie Arthur Dent genau im richtigen Augenblick ablenken zu lassen und zu schweben. Leider ging es mir eher wie Ford und ich holte mir schlicht blaue Knie. Aber eines Tages werde ich es schon noch hinbekommen! Ganz sicher.

28.        Innere Wunden heilen
Verlust, Trauma, Schuld – Geschichten, die zeigen, dass Heilung möglich ist. Das Thema Nummer Eins der Seelenbande-Reihe. Vielleicht schreibe ich darüber mal einen separaten Artikel, denn beim Erstellen dieser Liste ist mir aufgefallen, wie viele dieser universellen Fantasien in meinen Romane vorkommen. Müssten die sich dann nicht wie warme Semmeln verkaufen? Was mache ich falsch, T. Taylor?

29.        Das ultimative Opfer
Alles geben – sogar dein Leben – für jemanden oder etwas, das wichtiger ist als du selbst, das ist meine perfekte universelle Fantasie. Damit schießt sich die Klammer mit einer Vorstellung, die ideal zur ersten passt und sie zum zünftigen Heldenepos ergänzt. Fehlt nur noch eins:

30.        Unsterblicher Ruhm
Am Lagerfeuer erzählen sie Legenden über dich. Dein Name wird weiterleben, auch wenn du längst Staub bist. Und wenn ich du sage, meine ich ich. Nein, Spaß. Ich meine tatsächlich dich. Geh da raus und forme deine Legende. Ich sitze hier und warte darauf, sie aufzuschreiben.

Hat Spaß gemacht?

Ich jedenfalls fands sehr kurzweilig und informativ, diese 30 Fantasien zusammenzustellen. Natürlich kannst und sollst du die nicht alle in ein Buch stopfen (außer, deine Gesinnung ist Chaotisch-Böse, dann viel Spaß dabei, Brandon1Das erste und einzige Buch von Brandon Sanderson, das ich je gelesen habe, war Warbreaker. Und das fand ich leider so hart scheiße, dass ich dem Mann nie wieder eine Chance gegeben habe. Sorry, not sorry.). Aber jede erfolgreiche Geschichte bedient mindestens eine dieser Fantasien. Du kannst ja mal überlegen, welche du am liebsten magst, und gucken, ob das auch die sind, die in deinen Lieblingsgeschichten vorkommen. Ich vermute fast, du wirst überrascht sein.

Falls du nach dem Lesen dieser Liste Bock bekommen hast, auch einen meinen Romane zu lesen, habe ich gute Nachrichten für dich: Das Prequel zu meiner Seelenbande-Reihe Seelensturm kannst du vollkommen kostenlos lesen, wenn du dich für meinen Newsletter anmeldest. Na los, worauf wartest du?


Bild: singhaniket255 auf Pixabay

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