Ich arbeite zur Zeit an einem neuen Romanentwurf und dachte, ich teile hier eine Szene, die mir ganz gut gefallen hat, die im nächsten Entwurf aber voraussichtlich nicht mehr drin sein wird. Viel Spaß! Caveat: In dieser Szene wird gefoltert, jedoch ohne explizite Beschreibungen.
Res 5751-114 und Res 5751-235 waren nicht da, als ich am nächsten Morgen zum Appell antrat. Ob Lindholm sie beurlaubt hatte? Oder gar zum Zurücksetzen geschickt? Aber warum? Sie konnten nichts mit Nathans Tod zutun gehabt haben, das war unmöglich. Zu Ungehorsam dieses Ausmaßes waren wir nicht fähig.
Oder doch?
Nein, unmöglich. Die Urmutter allein wusste, wie oft Ember es versucht hatte. Viel öfter als die zehn Mal, die sie weit genug gekommen war, um sich ein Zurücksetzen einzuhandeln. Einen Gefangenen ohne Befehl töten – das konnte keine von uns gewesen sein.
Und wenn es einen Befehl gegeben hatte?
Ich richtete mich auf und streckte den Rücken durch, um mich zur Ordnung zu rufen und die Gedanken hinter mir zu lassen. So wie Leutnant Stark, den ich in seinem Quartier gelassen hatte. Lindholm hielt ihn für zu weich, um Gefangene zu verhören. Ich stimmte ihr zu. Stattdessen holte mich Leutnant Sobol im Vorraum des Gefängnistrakts ab. Die Mittvierzigerin mit dem grauen Bürstenschnitt hatte viel mit Lindholm gemeinsam – unter anderem ihre unerschütterliche Contenance. Außerdem entging ihr nichts.
„Hast du nicht gut geschlafen, Res 5751-449/II? Du siehst erschöpft aus.“
Ich hielt ihrem Blick stand. „Mir geht es gut, Leutnant. Ich bin zu einhundert Prozent einsatzfähig.“
Sie hob eine Augenbraue, nickte dann jedoch. Dabei entging ihr die Röte in meinem Gesicht sicher nicht. Embers Entschuldigung für ihre harten Worte wirbelte noch immer in zarten Wellen durch meinen ganzen Körper. Was Hunde ebenso taten, dachte Sobol vielleicht. Stark hätte es sicher amüsiert. Vielleicht war das das nächste kleine Geheimnis, das ich ihm verriet, damit er mein Versetzungsgesuch in das Spital unterzeichnete. Noch hatte ich nicht aufgegeben, dieser Hölle zu entfliehen, auch wenn Ember es für aussichtlos hielt.
„Wir sprechen heute noch einmal mit dem Gefangenen Sechsundzwanzig.“ Sobol führte mich durch den spärlich erleuchteten Korridor an den Verhörkammern vorbei zu den Zellen. Den kahlen Betonboden zeichneten Risse und Flecken. Es sollte wohl zum mittelalterlichen Charme der Anlage beitragen – die kleinen Schäden ließen sich allzu leicht von einer Putz-Res reparieren. Selbst ich, die ich kein Talent für Materienmanipulation hatte, hätte das gekonnt.
„Gefangener, an die hintere Wand zurücktreten.“ Sobol spähte durch den Seeschlitz in der massiven Stahltür. Als Sechsundzwanzig ihrem Befehl offenbar nachgekommen war, hielt sie ihre Schlüsselkarte an das Lesegerät und öffnete.
Ich mochte Sechsundzwanzig nicht. Er hatte immer einen flotten Spruch auf den Lippen, eine geradezu unheimliche Schmerztoleranz und noch keine einzige nützliche Information von sich gegeben. Er liebte es, Psychospielchen zu spielen. Lindholm hatte ihn schon zweimal zur Exekution freigegeben und die Entscheidung unerklärlicherweise zweimal zurückgenommen.
Sobol fesselte ihm die Hände mit den antimagischen Handschellen. „Da mach dir mal keine Hoffnungen.“
„Meine einzige Hoffnung ist, nach der Behandlung wieder in die Obhut meiner geliebten Vier-vier-neun einkehren zu können.“ Er zwinkerte mir zu.
Ich fasste ihn beim Arm und führte ihn vor Sobol her zum Verhörraum.
„Du bist immer so wortkarg. Das mag ich an dir.“ Sechsundzwanzig trat in den Raum unter den Haken, von dem er gleich baumeln würde, und zeigte mir die offenen Handflächen. „Ich nehme nicht an, dass wir darüber wie zivilisierte Feen reden können?“
Ich nahm ihm die Handschellen ab, streifte seinen Overall bis auf die Hüften herunter und …
„Dir gefällt, was du siehst, oder? Res?“ Sein Atem strich wie ein samtiger Hauch über meinem Haar.
… und legte die Hakenschellen um seine Handgelenke.
Sobol setzte sich in den Lehnsessel rechts neben der Tür, überschlug die Beine und sah zu, wie ich Sechsundzwanzig in die Höhe zog. Er biss die Zähne zusammen. Sein ganzer Körper spannte sich an. Sobol ließ ihn eine Weile unter dem heißen Licht der Baustrahler hängen. Währenddessen nahm ich mit meiner Gerte hinter ihm Aufstellung.
„Was weißt du über den Tod von Siebenundsechzig?“, fragte sie schließlich.
Es dauerte einen Moment, bis er erwiderte: „Siebenundsechzig was? Unschuldige Feen, die ihr in irgendeiner Waldsiedlung abgeschlachtet habt?“
Sobol nickte mir zu.
Ich gab ihm einen Hieb auf den Rücken.
Er spannte sich an und unterdrückte einen Schmerzlaut.
„Was weißt du über den Tod von Siebenundsechzig?“, fragte sie wieder.
„Siebenundsechzig Kinder, deren Seelen ihr gestohlen habt?“
Sobol deutete auf mich. Ich gab ihm zwei. Er nahm sie ohne Laut.
Sobol wiederholte ihre Frage, er seine Anschuldigungen, ich meine Hiebe. Jedes Mal, wenn sich seine Haut unter der Gerte teilte, fuhr ein kleiner Stich durch meine Eingeweide. So sehr ich mich auch zu distanzieren versuchte, ich schaffte es nie weit genug, um vom Schmerz der Gefangenen verschont zu bleiben.
Wieso behauptete Ember, ich wäre gut darin?
„Res!“ Das Wort peitschte mir ins Gesicht. Ich zuckte zusammen. „Verzeihung. Was haben Sie gesagt?“
„Ich sagte: Vitalwerte prüfen, er reagiert nicht mehr.“
Schnell trat ich vor Sechsundzwanzig. Schweißperlen standen in seinem Gesicht, die Augen hielt er geschlossen. Ich legte die Hand an seine Kehle und prüfte Puls und Blutdruck.
Er seufzte wohlig. „Fühlt sich viel besser an als die Peitsche. Können wir das öfter machen?“
Seine Augenlider öffneten sich halb. „Hallo Vier-vier-neun.“ Er lallte etwas, sodass es sich wie Starks Fifineu anhörte. „Lange nicht gesehen, trotzdem wiedererkannt. Wie fühlst du dich? Bist du müde? Ich bin wirklich müde.“ Er schloss die Augen wieder.
„Status.“ Sobol klang genervt.
„Vitalwerte im Normbereich“, berichtete ich.
Sobol stand auf und besah sich Sechsundzwanzigs Rücken. Sie kniff die Augen zusammen und seufzte. Ich konnte sie gut verstehen. Bei diesem Gefangenen wusste man nie, ob er keine Antworten hatte oder keine geben wollte.
„Schön. Vielleicht weißt du wirklich nichts über den Tod des Gefangenen Nathan Winterfeld“, sagte sie schließlich.
Sechsundzwanzig hob den Kopf. „Nathan Winterfeld? Er ist letzte Nacht gestorben?“
Sobol nickte. „Ja. Kanntest du ihn?“
Sechsundzwanzig zögerte. Schließlich schüttelte er den Kopf, murmelte aber etwas.
„Wer ist Zoe?“, fragte ich.
„Warum die Frage, Res?“ Sobol trat neben mich und sah den Gefangenen forschend an.
„Er hat den Namen gerade gemurmelt. Glaube ich.“
„Hast du das, Gefangener?“
Sechsundzwanzig hob den Blick und sah sie an. Ich rechnete mit einer weiteren kämpferischen Erwiderung, doch zu meiner Überraschung antwortete er mit sanfter, verändert klingender Stimme: „Sie ist meine Schwester und in meinem Herzen immer bei mir. Ich hab gerade an sie denken müssen, weil sie … Nathan kannte.“
Sobol runzelte die Stirn. „Also kanntest du ihn auch?“
Er nickte. „Ja. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Er ist ein paar Jahre jünger als ich, aber in Orossa kennt jeder jeden. Dort habt ihr ihn doch gestohlen, nicht wahr?“
Von der neuen Kooperationsbereitschaft genauso überrumpelt wie ich, wiederholte Sobol ihr Eingangsfrage. „Was weißt du über seinen Tod?“
Sechsundzwanzig schloss die Augen. Eine Träne lief seine Wange hinab. „Dass er eine Gnade war. Und wer auch immer ihn ihm ermöglicht hat, eine mitfühlende Seele.“ Damit sah er mir direkt in die Augen.
Ein mulmiges Gefühl stieg in mir auf. Sobol merkte es und musterte mich streng. „Was weißt du darüber, Vier-vier-neun?“
„Nichts“, erwiderte ich wahrheitsgemäß, doch weil ich das Gefühl hatte, mich entlasten zu müssen, fügte ich hinzu: „Ich habe den ganzen Tag in der Handyfertigung verbracht. Als ich hier eintraf, konnte ich nur noch seinen Tod feststellen.“
Sobol legte den Kopf schief. „In der Handyfertigung? Warum?“
„Ich habe mich um eine Versetzung beworben.“
Mit hochgezogenen Augenbrauen wieder holte sie meine Worte: „Um eine Versetzung beworben.“ Sie kehrte auf ihren Sitz zurück. „Wir sprechen später darüber. Zurück zu dir, Sechsundzwanzig.“
Dieser jedoch schüttelte den Kopf. „Was sie auch tun, ich werde heute nichts mehr sagen.“
„Das werden wir sehen“, erwiderte Sobol.
Wir sahen es wirklich.
Sobol hieß mich, ihn an den Stuhl zu fesseln und die härteren Methoden anzuwenden. Ich hasste es, wenn sie dazu überging. So viel Blut. Sechsundzwanzig knurrte, grunzte und knirschte mit den Zähnen, er schwitzte und atmete bald immer flacher, doch er gab kein Wort von sich. Auch mir war schrecklich heiß, mein ganzer Körper schmerzte und ein mörderischer Durst quälte mich. Ich fühlte den Puls des Gefangenen gefährlich absacken. Mehr davon und wir würden ihn verlieren.
„Leutnant, ich empfehle eine Pause“, sagte ich daher. „Er braucht Heilung und Ruhe, oder er wird den Morgen nicht erleben.“
Sobol fluchte leise und stand auf. „Also schön, kümmere dich darum.“
Als sie den Raum verlassen hatte, gab ich meinen zitternden Knien nach und sank gegen den Metalltisch. Ich fuhr mir über das Gesicht und durchs Haar, presste die Handflächen fest auf die Augen und atmete einige Minuten einfach. Nachdem ich mich wieder etwas unter Kontrolle hatte, löste ich die Fesseln an Händen und Füßen des Gefangenen und trug ihn hinüber in das Nachsorgezimmer. Ich gab ihm zu trinken, trank selbst und machte mich daran, seine Wunden zu säubern und zu schließen. Das war das einzig Gute an dieser Arbeit. Ich konnte dafür sorgen, dass die Gefangenen wieder ganz zu Kräften kamen, dass keine Infektion ihr Leid vergrößerte, dass sie eine Pause bekamen vom Horror, den sie in der Verhörkammer erlebten. Dass sie sich nicht quälen mussten. In meiner Obhut waren sie in Sicherheit. Zumindest für eine Weile.
Sechsundzwanzig lag auf der Liege, die Hände in den antimagischen Fesseln auf der Brust. Ich fuhr mit den Fingerspitzen über einen Striemen auf seinem Bauch und ließ die Verletzung verschwinden.
„Kann ich verstehen. Es würde mich krank machen, Tag für Tag lebende, fühlende Wesen foltern zu müssen.“ Er tat das jedes Mal. „Macht dich das krank, Res? Du siehst krank aus.“
Ich antwortete nicht. Ich antwortete nie. Am Anfang hatte ich es getan. Mit den Gefangenen geredet, ihnen aufmunternde Worte zugeflüstert, sie getröstet. Dann hatte Lindholm mich für diese Strategie gelobt und mir war klar geworden, dass meine Fürsorge sie schneller brach als alle Hiebe, die ich ihnen gab, und jeder Fingernagel, den ich ihnen ausriss. Seitdem hatte ich nie wieder ein Wort mit einem Gefangenen gewechselt.
„Möchtest du wissen, wer Nathan erlöst hat?“
Ich hielt in der Bewegung inne und sah ihn an. Überlegte. Schließlich stand ich auf. „Ich hole Leutnant Sobol, wenn du ein Geständnis ablegen möchtest.“
Er lächelte. „Was ich zu sagen habe, ist nur für deine Ohren bestimmt, Lina.“
Ich zuckte zusammen. Kaum merklich, doch sein Lächeln wurde breiter. „So nennt dich dein eigentlicher Leutnant, richtig? Der, der Mutter Natur zu verbunden ist, um sich ganz der Dekadenz dieser Gesellschaft zu verschreiben, und doch zu feige, um zu fliehen und sich uns anzuschließen.“
Ich wandte mich zum Gehen. Was auch immer Sechsundzwanzig zu sagen hatte, ein Offizier musste es hören.
„Wenn du jetzt gehst, Lina, bin ich ebenfalls tot, wenn du zurückkommst. Und sie werden dich dafür verantwortlich machen. Das verspreche ich dir.“
Zitternd lag meine Hand auf der Türklinke. Schließlich drehte ich mich um und setzte mich wieder auf den Schemel neben die Liege. „Was willst du von mir?“, fragte ich. Meine Stimme schwankte, obwohl ich es zu unterdrücken versuchte.
„Du hast genug von all dem Leid und dem Tod, ist es nicht so?“
Ich antwortete nicht.
„Lass es uns so machen: Ich beantworte dir eine Frage wahrheitsgemäß. Dann tust du dasselbe für mich. Ich werde dir nur Fragen über dich stellen, die Geheimnisse deiner Offiziere interessieren mich nicht. Bist du einverstanden?“
Langsam nickte ich.
Sechsundzwanzig schob sich auf der Liege in eine halbsitzende Position und sah mich erwartungsvoll an. „Stell deine Frage.“
Also fragte ich: „Wie ist dein Name?“, denn nach all den Wochen war ich es leid, ihn Sechsundzwanzig zu nennen.
„Felix Lagarde“, erwiderte er. „Warum willst du dich versetzen lassen?“
Ich hatte mehrere Optionen, diese Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. „Um mehr Zeit mit einer anderen Res zu verbringen.“
„Zuerst ich. Wer hat Nathan getötet?“
Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht. „Zoe.“
„Wer ist Zoe?“, fragte ich.
„Immer schön der Reihe nach. Warum willst du mehr Zeit mit dieser anderen Res verbringen?“
Wieder gab es mehr als eine wahre Antwort. „Weil ich sie liebe“, war die, für die ich mich entschied.
Kopfschüttelnd rutschte er weiter nach oben. Die Striemen auf seinem Bauch waren noch nicht verheilt und fingen wieder an zu bluten. Ich rückte näher an die Liege und setzte seine Heilung fort.
„Zoe ist wirklich meine Schwester. Und in meinem Herzen immer bei mir.“
Schweigend wartete ich seine Frage ab.
„Ich bin aus einem bestimmten Grund hier, Lina“, sagte er stattdessen. „Die Community hat den Zugang zur Feenquelle abgeriegelt. Manchmal gelingt es uns unter großen Verlusten, durchzudringen und Feenkinder in unsere Reihen aufzunehmen. Doch das ändert nichts an der Tatsache das die Allianz ausstirbt. Eine paar Jahre vielleicht noch, dann ist keiner mehr übrig, der die Wohnbäume von Orossa, Katha oder Sinn Aurel bevölkert. Sie werden alle leer stehen und niemand wird mehr da sein, um künftige Generationen die alte Magie zu lehren.“
„Ich weiß“, erwiderte ich leise.
Felix nahm meine Hand. Sie übertrug noch Heilmagie, was die antimagischen Schellen aktivierte. Das Metall verformte sich und fuhr als Stacheln in seine Handgelenke. Er zuckte zurück und ächzte.
Ich beobachtete, wie das Blut auf seine Brust tropfte und atmete tief durch. „Wenn ich sie dir abnehme, um das zu heilen, wirst du dann versuchen, zu fliehen?“
Er sah mir in die Augen. „Nein.“
Ich löste die Fesseln und behandelte die Wunden.
Felix lehnte den Kopf an die Wand und beobachtete mich unter halb geschlossenen Lidern hervor.
„Du hast noch eine Frage frei“, sagte ich sanft.
Die Wunden an seinen Handgelenken schlossen sich. Als er immer noch nicht reagierte, heilte ich auch die letzten Striemen auf seiner Brust. „Es wird Zeit, in die Zelle zurückzukehren.“
Er richtete sich auf und fasste meine Hand. „Sehnst du dich nicht danach, mit deiner Geliebten frei und unbeschwert durch die Wälder zu streifen, wie es Feen tun sollten? Tannennadeln im Haar und weiches Moos unter den bloßen Füßen, süße Beeren und frisches Quellwasser, wohin du dich wendest?“
Ich hielt seinen Blick und versuchte, die widerstreitenden Gefühle in meinem Inneren zu sortieren. „Wir sind keine Feen. Nur seelenlose Automaten, geschaffen, um zu dienen.“
Er runzelte die Stirn und zog mich näher zu sich heran. „Geschaffen, um zu dienen, das mag sein. Aber deine Seele, Lina, strahlt genauso hell wie jede andere, die ich schon sah.“
Wieder wechselten seine Iriden von Blau zu Braun. Mir fiel siedend heiß ein, dass ich ihm die Fesseln abgenommen hatte. Ich wollte mich losreißen, doch er löste den Griff von allein. Verwirrt sah ich auf meine Hände hinab. „Du willst mir weißmachen, ich hätte eine Seele?“
Er schmunzelte. „Du willst mir weißmachen, dass du das nicht glaubst?“
„Ich …“ wollte es glauben. So sehr. „Res werden nicht von der Urmutter in diese Welt gebracht. Professor Telmara erschafft sie in ihrem Labor. Sie benutzt Dämonen dafür. Wie sonst könnten wir Feen verletzen und sogar töten, ohne auf die Erde verbannt zu werden?“
Felix nickte. „Und was davon beweist, dass ihr keine Seele habt?“
Blinzelnd trat ich einen Schritt zurück. „Dass … dass wir …“ Ich schüttelte den Kopf. „Du musst in die Zelle zurückkehren.“
Er stand auf und machte langsam einen Schritt auf mich zu. „Muss ich das? Vielleicht müssen vielmehr wir beide gemeinsam von hier verschwinden. Mit vereinten Kräften die Quelle befreien und dem Treiben der Community ein Ende setzen.“
Ich hob die Hände und ließ Flammen um sie zügeln. „Keinen Schritt näher.“
„Unmöglich!“, platzte es aus mir heraus. „Wie sollen wir diesen gewaltigen Apparat überwinden? Überall Soldaten, Wachmannschaften und Res, Res, Res, die tun, was man ihnen sagt, wenn man es ihnen sagt, weil sie gar keine andere Wahl haben. Ich wüsste nicht mal, ob ich dir überhaupt helfen könnte oder ob mich nicht irgendein Schalter in meinem Kopf davon abhalten würde.“
Er zuckte mit den Schultern. „Das Risiko bin ich bereit, einzugehen.“
„Aber ich nicht!“, rief ich. Das Blut rauschte in meinen Ohren.
Hinter mir klackte die Tür. Ich fuhr herum.
„Was ist hier los?“ Lindholm hatte die Tür aufgestoßen und sah mich streng an. Vier Soldaten strömten in den Raum.
Aus, dachte ich, das war’s, sie setzen mich zurück. Der Gefangene ohne Handschellen, ich in die Enge getrieben.
„Vier-vier-neun hat mein Angebot, die Nacht in meiner Zelle zu verbringen, abgelehnt.“ Felix zwinkerte mir zu. Die Handschellen lagen fest um seine Handgelenke.
Wie konnte das sein?
„Fand ich ziemlich unhöflich von ihr. Sie weiß gar nicht, was sie verpasst.“
Mein Brustkorb bebte unter meinen heftigen Atemzügen. Ich zwang mich zur Ruhe.
Lindholm sah von einem zum anderen. Ihre scharfen Augen schienen sich tief in meinen Geist zu bohren. Benutzte sie Telepathie?
Ich senkte den Kopf. „Bitte um Entschuldigung, Kommandantin.“ Um das Zittern meiner Hände zu unterdrücken, presste ich sie an die Oberschenkel und schloss die Augen.
„Schon gut“, sagte sie schließlich. „Geh dich ausruhen, Res 5751-449/II. Du bist für morgen beurlaubt.“ Sie nickte den Soldaten zu. „In die Zelle mit ihm.“ Mit klopfendem Herzen und weichen Knie kehrte ich ins Regal zurück. Ich brauchte dringend eine Dusche.