Nachdem meine erste Sapphic Romance besser gedeiht, als ich mir erhofft hatte, und ich den Rohentwurf mit etwas Glück noch diesen Pride-Monat fertigstellen werde, dachte ich mir, ich gönne dir einen kleinen Einblick in diese romantische YA-Fantasy über zwei Feen und einen großen Traum – ein echtes wissenschaftliches Labor von Innen sehen! Ich schreibe zur Abwechslung mal was wirklich putziges, herzerwärmendes ohne Drama, Folter oder Kämpfe. Weil ich einfach Bock darauf hatte. Hier also die erste Szene dieses Kurzromans in ihrer Rohfassung:
10 Arten von Feen
Es gibt 10 Arten von Feen – solche, die Binärzahlen lesen können, und solche, die es nicht können. Zora gehörte zur ersten Sorte, ihre Mutter Eloise und ihr Bruder Farfan zur zweiten. Ein Ast des Wohnbaums wand sich von der Decke und ließ ein paar Beeren auf Zoras Müsli fallen, in dem sie lustlos herumrührte. Sie sah hinauf und konnte spüren, dass der Baum sich um sie sorgte. Aber wie, bei der Urmutter, sollte Zora mit diesem Geschrei im Hintergrund etwas essen?
„Die Community hat dieses Dorf errichtet, da war von der Allianz noch gar keine Rede!“, rief Eloise und knallte ihre Kaffeetasse auf den Esstisch, dass Zora zusammenzuckte.
„Große Urmutter, das ist fünfundvierzig Monde her und sieh, wo wir heute stehen!“ Farfan sprang auf und schlug mit den Fäusten auf den Tisch. „Die Infrastruktur verfällt, die Schule ist geschlossen, und aus der Hauptstadt haben wir zuletzt am Quellfest 5781 was gehört! Das ist jetzt …“
„Vier Zyklen her, ich weiß. Das ist das einzige, verdammte Argument, dass du jedes. Mal. wieder. bringst!“ Eloise unterstrich jedes ihrer Worte mit einem Schlag auf den Tisch, der Zora zusammenzucken ließ. Der Ast gab der Schale einen Schubs in ihre Richtung und streute noch ein paar knusprig geröstete Gänseblümchen darüber. Zora rollte mit den Augen. Sie schob das Frühstück beiseite, stand auf und wandte sich der Küchentür zu. „Zoroasthria! Wo willst du hin? Wir haben noch nicht gegessen!“, rief Eloise.
Zora zog die Schultern hoch. „Ich muss zum Lernen zu Frau Weiß.“ Bevor ihre Mutter noch etwas sagen konnte, rannte sie los. Draußen vor der Tür empfing sie das Sonnenlicht des Irismonds. Überall lagen noch Glitzer und Sternenstaub vom Neujahrsfest herum. Dabei war das schon vor einer Woche gewesen, inzwischen standen die Bäume schon unter erstem Grün und aus allen Beeten steckten Iris ihre Köpfe. Zora zog ihr Schultertuch fester um sich, raffte ihren Rock und breitete die Flügel aus. Mutter mochte es gar nicht, wenn sie flog. Das ist etwas, das Allianzrebellen tun, und du bist Vieles, aber kein Rebell. Nein, das war Zora wahrlich nicht, diese Rolle hatte sich Farfan erwählt. Sie flatterte zwischen den Wohnbäumen hindurch über die Köpfe der Feen, die in ihren Gärten saßen, Ball spielten oder Tänze übten. Einige drehten sich nach ihr um, manche winkten ihr, Frau Jesewitter drohte, es ihrer Mutter zu erzählen, wenn sie nicht sofort herunterkäme, Ilona und Frederick schwangen sich zu ihr in die Luft und drehten gewagte Loopings um Zora, sodass sie aus dem Takt geriet und fast mit einem Wohnbaum zusammengestoßen wäre. Der aber fing sie sanft ab und dirigierte sie auf eine sichere Flugbahn zurück.
„Wieder auf dem Weg zur Bücherhöhle, du Freak?“ Lachend drehten Ilona und Frederick ab und bewarfen sie mit Glitzerplätzchen.
Zoras Gesicht wurde heiß, sie presste die Lippen zusammen und flog schneller, bis sie das vermaledeite Dorf endlich hinter sich gelassen hatte. Draußen im Wald war es noch kühler, aber Zora war einfach nur froh, endlich von allem Lauten, Schrillen und Schmerzhaften weg zu sein. Sie landete auf der kleinen Lichtung unterhalb der „Bücherhöhle“, wie ihre Mitschüler es genannt hatten. Nun, ihre ehemaligen Mitschüler. Das einzig Gute, was Zora mit der Community verband, war die Oberschule gewesen. Frau Weiß hatte so viele kluge und faszinierende Dinge aus der Menschenwelt zu erzählen gehabt, in Vorbereitung auf das große Werk, das die Community an ihnen tun wollte. Aber nach allem, was man so hörte, war das wohl abgesagt und Frau Weiß in die Hauptstadt zurückgekehrt, ohne je wieder etwas von sich hören zu lassen. Sie hatte jedoch für ihre Abwesenheit einen minutiösen Lehrplan erstellt, den nach drei Wochen aber niemand mehr befolgt hatte.
Niemand außer Zora. Sie betrat den knorrigen, alten Wohnbaum und legte eine Hand auf die Wand. Sofort sprang das Licht an und erhellte den vollgestopften Raum. Überall stapelten sich Bücher, die Zora aus der Schule hierher geschleppt hatte. Sie seufzte und atmete tief durch. „Hallo Kasimir“, sagte sie, denn so hatte sie den Baum getauft, und er wusste das. Unter der Decke sprang eine Girlande aus bunten Blättern aus den Wänden und sanfte Violinentöne erfüllten die Luft. Zora atmete tief ein und schloss die Augen. „Schön, dich zu sehen“, sagte sie mit einem Lächeln. Mit wippenden Schritten ging sie zu einem der Bücherstapel, zog eines heraus und trug es zum Schreibtisch. Sie setzte sich und schlug das Buch auf. „Eine kurze Geschichte von fast allem“, las sie und blätterte um.
Kasimir stellte eine Schale mit zart duftendem Blütentee vor ihr ab. Zora nahm einen Schluck und seufzte wohlig. „Scientia est lux mundi“, murmelte sie. „Warum versteht das niemand hier?“
In diesem Moment schepperte es. Zora fuhr auf und stürzte vom Stuhl. Blätter schossen aus dem Boden und ließen sie sanft landen. „Urmutter! Was ist denn nun schon wieder?“ Sie sprang auf und sah sich um. Einer der Bücherstapel war umgefallen. Zora stand auf und ging hinüber. Ganz unten im Stapel lag ein Buch, das ihr bisher noch nicht aufgefallen war. Sie hob es auf und wischte den Staub herunter. Veritas abscondita revelatur, stand dort. Zora bekam große Augen. Ein lateinisches Buch? Das war selbst für Frau Weißens Wissensschatz ungewöhnlich. Mit klopfendem Herzen schlug sie es auf und fand … nichts. Zora runzelte die Stirn. Sie blätterte weiter, doch es reihte sich eine leere Seite an die nächste. „Was? Wie? Das …“ Sie fuhr mit den Fingerspitzen über die Seiten und spürte das vertraute arkane Knistern, wenn Magie im Spiel war. „Hm.“
So sehr sich Zora in der Vergangenheit auch bemüht hatte, die den Feen eigene Magie lenken zu lernen, so sehr entzog sie sich ihr. Und leider kannte sie nur eine, einzige, halbwegs erträgliche Fee, bei der das anders war. Mit einem Grummelton klemmte sie sich das Buch unter den Arm und flog ins Dorf zurück. Zeit, einen Smoothie zu bestellen.
Bild: Слава Герасимович auf Pixabay